SUV – Zwischen Hype und Hysterie
September 2019: In der Innenstadt von Berlin verliert ein 42-Jähriger Mann nach einem epileptischen Anfall die Kontrolle über sein Auto, kommt von der Straße ab und fährt mit über 100 km/ h auf einen Gehweg mit Fußgängern. Dabei kamen vier Menschen ums Leben, unter ihnen ein dreijähriges Kind. Die drei Insassen des Fahrzeuges werden schwer verletzt.
Nach diesem tragischen Zwischenfall flammte erneut eine Debatte auf, denn das Auto war ein sogenanntes SUV. In der Folge wurde dieser Fahrzeugkategorie erneut hohes Gefährdungspotential zugeschrieben, manche fordern ein generelles SUV-Verbot, zumindest in Innenstädten. Aber was sollte sie gefährlicher machen als andere Autos?
Die Abkürzung SUV steht für „Sport Utility Vehicle “(sinngemäß ein sportliches Nutzfahrzeug), das einem Geländewagen noch am ähnlichsten ist. Sie sind aktuell sehr beliebt, gehören zum am stärksten wachsenden Fahrzeugsegment in Deutschland. Diese Autos sind meistens deutlich schwerer, größer und hochmotorisierter als PKW anderer Klassen. Sie werden darum auch kritisch bewertet mit Hinblick auf die aktuelle Klimaschutzbewegung, denn viele SUV hätten einen höheren Kraftstoffverbrauch und stießen somit mehr Schadstoffe aus. Auch für verstopfte Innenstädte, in denen es an Platz für alle Verkehrsträger mangelt, seien diese Autos durch ihre Größe das falsche Signal. Und schließlich sollen sie auch eine höhere Gefährdung im Straßenverkehr darstellen.
Man kann beim SUV sicher streiten, inwiefern es für die Innenstädte Probleme auslöst (Parkraum etc.) oder es beim Thema Nachhaltigkeit bessere Mobilitätsangebote gibt, aber eine unmittelbar größere Gefahr für die Verkehrssicherheit kann sich nicht so einfach ableiten lassen. Zumindest in der Unfallstatistik lässt sich keine signifikant höhere Unfallrate von SUV finden.
Trotzdem ist nicht von der Hand zu weisen, dass bei einer Kollision mit mehr Fahrzeuggewicht auch immer mehr kinetische Energie einwirkt. Sportliche Autos erreichen schneller hohe Geschwindigkeiten. Höhere, längere und breitere Fahrzeuge können Sichtbeziehungen einschränken und nehmen mehr Platz ein. Aber das sind keine ausschließlichen „SUV-Merkmale “, sondern fahrzeugseitige Einflussfaktoren wie Tempo, Gewicht und Größe. Diese Debatte kennen wir auch schon bei LKW, Kleintransportern, Mini-VAN oder Sportwagen.
Nach dem tragischen Unfall bestand die Gefahr, dass die Auseinandersetzung den sachlichen Grund verlässt. Als Deutsche Verkehrswacht sehen wir als großen Unsicherheitsfaktor die Fahrzeugführenden, vor allem bei den Risikogruppen. Es ist unangepasste Geschwindigkeit, Alkohol- und Drogenmissbrauch, Ablenkung oder Rücksichtslosigkeit. Wenn jemand mit hohem Tempo durch die Stadt fährt und es kommt dabei zu einer Kollision, ist es beinahe unerheblich, ob man mit einem SUV oder Kleinwagen unterwegs ist. Aber es ist nicht unerheblich, ob jemand rast, auf sein Handy schaut, betrunken ist oder wie beim Unfall in Berlin ein medizinisches Problem vorlag. Die Unfallursache muss bekämpft werden! Natürlich muss es in Infrastruktur und auch in der Technik verkehrssicherheitsverstärkende Weiterentwicklungen geben. Wir können nicht LKW verbieten, aber es ist eine legitime Forderung den Abbiegeassistenten auf dem neuesten Stand der Technik verpflichtend zu machen. Wir müssen diese Diskussion auf allen Feldern der Verkehrssicherheit (Technik, Infrastruktur und Mensch) offensiv führen.
In unserer Präventionsarbeit ist Aufklärung und Verhaltensänderung ein wichtiger Schwerpunkt, dazu gehört aber auch, die Forderung zur Durchsetzung der Regeleinhaltung im Straßenverkehr durch Länder, Bund und Kommunen
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